Philipp Burger beschreibt sich in seinem Song „Recordman“ als „ganz klar schuldig“ und singt über sich selbst, er habe „giftige Pfeile in [s]eine Jugend gerammt“. Auch wenn der Musiker bereits zwei Solo-Alben auf den Markt gebracht hat, ist er besser bekannt als Kopf der umstrittenen Band Frei.Wild. Darüber hinaus hat er zuletzt als Autor von sich Reden gemacht, der sein Buch „Freiheit mit Narben: Mein Weg von rechts nach überall“, binnen kürzester Zeit nach dem Erscheinen Spiegel-Bestseller, auf den renommierten Buchmessen in Frankurt und Leipzig vorgestellt hat. Oftmals sind seine Auftritte und auch die von Frei.Wild mit Auseinandersetzungen und Kritik verbunden. Fraglos war es somit ein Wagnis, den Künstler, der sich selbst als sportbegeisterten, passionierten Musiker, Handwerker und Landwirt darstellt, in eine Schule einzuladen, immerhin als erste außerhalb seiner Heimat Südtirol. Wir haben uns auch in Abstimmung mit dem Leiter des zuständigen Referats im bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus dafür entschieden, da wir in seiner polarisierenden, emotionsgeladenen und – wie er selbst gerne sagt – unschubladisierbaren Art ein großes Potenzial gesehen haben, auch Schülerinnen und Schüler zu erreichen, die einer rationalen Argumentation und sachlichen Informationen gegenüber aufgrund einer herausfordernden persönlichen Situation oder Entwicklungsphase aktuell verschlossen sind.
„Das Leben ist zu kurz, um was nicht zu wagen“, ermutigt Burger selbst die jungen Menschen mit einer positiven und musikalischen Botschaft.
Auf Nachfrage aus dem Publikum erläutert er, dass vor allem die andersartige Musik und Kleidung, aber auch das Gefühl, zu einer Einheit fern der Mehrheit zu gehören, ihn in die rechte Szene gezogen hätten. Maßgeblich für die Kraft zum Ausstieg seien die von ihm erlebte Gesprächsbereitschaft von Eltern, Freunden und auch einem Jugendsozialarbeiter gewesen sowie prägende Erlebnisse, etwa das für ihn schockierende Ausarten eines Konzerts seiner ersten Band in eine Massenschlägerei.
Diese außergewöhnliche und sicher nicht in jeder Hinsicht vorbildliche Lebensgeschichte vom Jugendlichen auf Abwegen bis hin zum Buchautor mag ein unkonventioneller Weg sein, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Prävention von Rechtsextremismus in der Schule umzusetzen. Doch als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nehmen wir den verfassungsgemäßen Auftrag sehr ernst, die Schülerinnen und Schüler „im Geiste der Demokratie“ zu erziehen (vgl. BV Art. 131 Abs. 2) und gehen, wenn es chancenreich erscheint, auch neue Wege.
Thomas Estrada, Polizist und Experte von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus, macht bei der Veranstaltung ganz deutlich: „Demokratie muss Meinungen aushalten können. Aber wenn Ideologie gegen die Würde eines Menschen gerichtet ist, muss man Grenzen ziehen“.
Unseren Schülerinnen und Schülern wünschen wir, dass sie diese Grenzen kennen und achten, und Philipp Burger selbst, dass auch er sie nie mehr überschreitet.
Veranstaltungen wie diese sind immer Momentaufnahmen und im beschriebenen Fall sogar Neuland, dessen Betreten man kontrovers diskutieren kann. Ein wichtiges Ziel ist auf jeden Fall erreicht worden: Das bedeutsame Thema der Veranstaltung, die Teil von Themenwochen ist, ist in besonderer Weise präsent. Darüber hinaus haben die anwesenden Jugendlichen der Jahrgangsstufen 8 und 10 erfahren, dass Fehler im besten Fall Lerngelegenheiten sind, kein Grund, sich aufzugeben.